Phänomenologie
- Ankommen in der Fremde
![]()
| Der autobiographische
Roman von Eva Hoffman erzählt von den persönlichen Erlebnissen
als
Immigrantin, die ihre polnische Identität im fremden Kanada verliert, um sie dann in einer neuen Sprache und Kultur neu zu definieren und wiederzufinden. Eva Hoffman verbrachte ihre frühe Kindheit in Krakau, das sie in den 50er Jahren mit ihrem Eltern und ihrer Schwester verläßt , um nach Kanada zu immigrieren. Eva ist alt genug, um das tiefe Gefühl der Entwurzelung und der Fremdheit in all ihren Formen zu spüren. Lost in Translation beschäftigt sich auf eine sehr berührende Weise mit dem Dilemma des Exils, so daß die Erlebnisse auch für eine nicht betroffene Lesergruppe, gut nachvollziehbar sind und selbst für diese Gruppe an an Relevanz dazu gewinnen. Zusätzlich zu diesem Roman,
werde ich versuchen, ein paar von meinen eigenen Erfahrungen
Alfred Schütz‘ Text befaßt
sich nicht mit sozialer Anpassung bzw. sozialer Assimilation, sondern mit
dem Schritt , der dem voraus gehen muß, damit es überhaupt zu
einer sozialen Anpassung kommen kann. Dieser Schritt ist die sogenannte
Annäherung (approaching) an die fremde Gruppe. Alfred Schütz
bespricht zwei unterschiedliche Sichtweisen,, mit denen man die fremde
Gruppe betrachten kann. Man kann entweder Mitglied der Gruppe (in-group)
sein , oder „uninteressierter wissenschaftliche Betrachter“ sprich Soziologe
sein. Beides gewährt einem völlig verschiedene Einblicke in die
„Zivilisationsmuster des Gruppenlebens“. Als uninteressiert wird der Soziologe
beschrieben, weil er im Gegensatz zu dem in der Gruppe handelnden Menschen,
absichtlich Abstand hält und von den in der Gruppe vorherrschenden
Mustern keinen Gebrauch macht, um das gesamte Geschehen so objektiv und
wissenschaftlich wie möglich beschreiben zu können. Das Beobachtete
wird zum „Objekt seiner Gedanken“.
Das Gruppenmitglied hingegen,
nimmt aktiv teil an der Gruppe und an ihren Geschehnissen. Die Zivilisationsmuster
beinhalten die gesamten Regeln, die für die Gruppe Gültigkeit
haben dar. Dabei handelt es sich um Gesetze, Rituale, Sitten, Mode, Bräuche
und Scripts. Das Mitglied bemächtigt sich dieser Muster um in ihnen
seine Erfahrungen und Eindrücke auszuleben. Das Erlebte hat eindeutig
einen realen Erlebnisscharakter, wobei das Gruppenmitglied alles um
Das Wissen ist also unzusammenhängend.
In der Relevanz der Interessen liegt keine Beständigkeit vor. Durch
diese Schwankungen geraten immer neue Elemente in den Vordergrund des Interessensbereiches,
wobei hier sowohl der Grad der Neugier als auch der Grad des Wissensdranges
Änderungen unterworfen sind.Als nur teilweise klar beschreibt Alfred
Schütz die alltägliche Handlungswelt des Menschen, weil er nur
in gewissem Maße an der vollen Einsicht der Geschehnisse interessiert
ist. Meistens genügt es dem Menschen, daß das was er gerade
Für die Mitglieder scheint
das in der Gruppe erworbene Wissenssystem ausreichend Klarheit, Beständigkeit
und Zusammenhang zu haben, es wird „fraglos angenommen“, da es dem Gruppenmitglied
alles bietet um „(...) die besten Resultate in jeder Situation mit einem
Minimum von Anstrengung und bei Vermeidung unerwünschter Konsequenzen
(..)“ zu erzielen. Das System hält für jede Gelegenheit die passenden
Scripts zur Verfügung, die sowohl als Anweisungs-
Diese vorgefertigten Rezepte
bzw. dieses „Denken-wie-üblich“ funktionieren jedoch nur solange man
einige Grundannahmen als gegeben annimmt. So muß man davon ausgehen,
daß die Probleme die einem begegnen, immer von derselben Art sind,
so daß die früheren Erfahrungen völlig ausreichend sind,
um sie zu bewältigen. Ausserdem muß man sich sicher sein, die
früher gemachten Erfahrungen in neuen Herausforderungen mit Erfolg
anwenden zu können. Es
Sind diese Annahmen jedoch
nicht gegeben, findet man sich genau in jener Situation wieder in der sich
der Fremde befindet. All das was für den „in-group“ als selbstverständlich
gilt, wird von dem Fremden zuerst einmal in Frage gestellt. Zwar kann auch
er die Traditionen der Gruppe erkennen und schätzen, aber sie können
nie einen Teil von ihm selber werden. (...) „Nur die Weisen in denen die
Väter und Vorväter lebten, werden für jedermann Elemente
des eigenen
Während ihrer Collegezeit fährt sie zusammen mit ihren amerikanischen Freunden zu einem Picknick, bei dem plötzlich einer anfängt ein Lied zu singen, bei dem alle gleich in den Refrain einfallen. Eva kann die Melodie nur mitsummen, da sie den Text nicht kennt. „Es gibt bestimmte Lücken in meiner amerikanischen Erziehung, die ich, so traurig das auch ist, niemals aufholen werde. (...) Bei diesen regressiven Ritualen ist mir nie ganz wohl zumute, weil ich nicht zu den gleichen Plätzen zurückkehren kann.“(S.234) Der Fremde ist in seiner Heimat
auch Teil einer Gruppe, mit ihren eigenen Auslegungsmustern. Da diese einen
Teil seiner Biographie und seines Weltbildes sind, versucht er natürlich
die ihm vertrauten Rezepte auf die neue Gruppe anzuwenden. Er kommt jedoch
schnell zu dem Schluß, daß seine Auslegungsschemata, sein „Denken-wie-üblich“,
ungültig geworden sind. Diese schmerzliche Erfahrung muß nicht
nur Eva machen, sondern auch ihre Mutter, für die alles noch viel
fremder und unverständlicher wirkt, da sich die Muster ihrer Heimatgruppe,
die Schemata der Krakauer Gesellschaft, in der sie lebte, schon viel tiefer
in ihrem Verstehen und Handeln verankert haben. „Als sie (Evas Schwester
Alinka) uns ihre bemalten Wimpern und ihre enthaarten Beine zum ersten
Mal vorführt, weint meine Mutter. (...).In unseren Kreisen in Polen
haben nur leichte Mädchen so etwas gemacht. (...) Sie (die Freunde
von Alinka) sind so schlecht erzogen, wundert sich meine Mutter. Sie grüßen
nicht, sie sagen nicht vielen Dank, wenn sie gegessen haben...Was für
ein seltsames Land.“(S. 157)
Darüber hinaus, erweisen
sich die Zivilisationsmuster der neuen Gruppe als unkompatibel mit den
Vorstellungen die in der Heimatgruppe vorherrschten. In den Überlegungen
und Annahmen der Heimatgruppe hatte die fremde Gruppe den Status eines
Gegenstandes, weil das angefertigte Bild nicht zur Interaktion mit der
fremden Gruppe dienen mußte. Durch den Sprung von der Außen
- zur Innenperspektive, durch den Wunsch die Passivität gegen eine
aktive Teilnahme
Ehe der Fremde jedoch diesen
großen Schritt wagt, muß er zuvor den Kulturschock überwinden.
Er findet sich in einer Welt wieder, für die er kein Orientierungsschema
parat hat. Und das Schema von dem er in seiner Heimatgruppe ausgegangen
ist, ist hier nicht anwendbar und auch in keinster weise mit einer „allgemeinen
Transformationsformel“ umwandelbar. Die Gewissheit, sich selbst nicht mehr
„als das Zentrum seiner sozialen Umwelt zu betachten“, zwingt den Fremden
neuerdings zum Überdenken seiner Relevanzen. Dieses Umdenken, spielt
sich vor allem auch auf der emotionalen Ebene ab. So stellt die Tatsache
vom Auslöschen des eigenen, fraglos angenommenen Zentrums, laut Eva
Hoffman, die schwierigste Phase in dem Dilemma dar. „Natürlich werde
ich die Teenager in diesem Klassenzimmer in Vancouver nicht davon überzeugen
können, daß Polen das Zentrum des Universums ist. (...) Ich
bin diejenige die lernen
Für das Mitglied der in-group bilden Verstehen und Handeln eine natürliche Einheit. Die ihm begegnenden Situationen stellen für ihn kein Dilemma dar, er weiß was ihn erwartet und was von ihm erwartet wird. So handelt er mit einer Art Automatismus. Er braucht nicht jedes Mal zu überprüfen, ob und wie er sich verhalten soll, er weiß, er wird das tun was alle anderen der Gruppe auch tun würden, wären sie in seiner Situation. Er weiß sich in Sicherheit. Diese Handlungen haben keinen primären Stellenwert, sondern hier geht es um eine wesentlich geringere Relevanz, wo es ausreicht „sich auf Dinge zu verlassen“. Der Fremde steht jedoch vor
dem Problem, daß für ihn diese klare Einheit von Verstehen und
Handeln nicht mehr gegeben ist. Genau das Fehlen dieser Einheit läßt
Eva Hoffman ihre Aussenseiterposition spüren. „Ich versuche mitzukichern,
wenn die Mädchen bedeutungsvolle Blicke ausztauschen – obwohl mein
Kichern meist eine verräterische Sekunde zu spät kommt. (S. 128)
(...) Er sieht so gut aus. Findest du nicht? fragt Evas neue Freundin Penny
sie. Ich glaube
Alfred Schütz benutzt
das Beispiel des Erlernens einer fremden Sprache, um zu erklären,
welche Hürden der Fremde überwinden muß, um sich der fremden
Muster so zu bemächtigen, daß er sie als eigene Auslegungsschemata
anwenden kann. „Es ist der Unterschied zwischen dem passiven Verstehen
einer Sprache und der aktiven Beherrschung als ein Mittel um die eigenen
Handlungen und Gedanken zu erfassen“. Die Sprache ist auf einer sehr tiefen
Ebene mit der Persönlichkeit eines Menschen verbunden. Sie spiegelt
die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in sich wieder, und um sie „(...)
frei als Ausdrucksschema zu beherrschen, muß man in ihr Liebesbriefe
geschrieben haben; man muß in ihr beten und fluchen und die Dinge
mit jeder nur möglichen Schattierung ausdrüken können, so
wie es der Adressat und die Situation verlangen“. Es ist ein Unterschied,
ob man etwas versteht oder ob man sich etwas aneignet. Man spricht
Der englische Titel von Eva
Hoffmans Roman „Lost in translation – Life in a new language, spiegelt
sehr deutlich wieder, was für eine Bedeutung die Sprache in der Immigrantensituation
einnimmt. Erst wenn man sich in einer fremden Sprache verständigen
soll, fällt einem auf, wie sehr man sich durch sie identifiziert und
definiert. So ergeht es auch Eva Hoffman. Da sie ein Mensch ist, dem Sprache
von vorne herein sehr viel bedeutet, fällt es ihr umso deutlicher
auf, wie
Sehr berührend erzählt
sie von der inneren Zerrissenheit die ein geschenktes Tagebuch auslöst.
„Wenn ich wirklich etwas ganz allein für mich selbst schreibe, in
welcher Sprache schreibe ich dann?(...) Wenn ich jetzt auf polnisch schreibe,
wäre das ewta bißchen so, als zöge ich mich auf Latein
zurück.(...) Polnisch wird zu einer toten Sprache, der Sprache der
unübersetzbaren Vergangenheit. Aber nur für mich allein auf englisch
schreiben? Das wäre wie Schularbeiten machen.(...) Wenn ich über
die Gegenwart schreibe, muß ich in der Sprache der Gegenwart schreiben,
auch wenn es nicht meine Sprache ist. Es scheint wenn ich Englisch schreibe
(oder genauer gesagt, englisch denke), nicht das Wort „Ich“ benutzen kann
„(S.132). Auch im Dialog mit Freunden, erfährt sie ihre Grenzen. „Wenn
ich dann versuche, mit vergleichbarer Spontaneität zu antworten, suche
ich verzweifelt nach dem angemessenen Ton, dem angemessenen Jargon (...)
aber ich selbst höre das Künstliche.“(S.240) Später in ihrem
Leben ist Eva Hoffman dann fähig
Dem Fremden fehlt auch die
selbstverständliche Sicherheit der Situation in der er sich befindet.
Er ist nicht in der glücklichen Lage, über eine „objektive Erfolgschance
„ zu verfügen. Er muß ständig alles genau überprüfen
und alle Operationen in ihre Details zerlegen, jeden Schritt auf die möglichen
Konsequenzen hin prüfen. Daher laufen die Situationen, die der Fremde
bewältigen muß für ihn auf einer sehr hohen Relevanzstufe
ab. Er registriert alles genau, was die Mitglieder der Gruppe machen, kann
aber anfangs nur schwer bis gar nicht herausfinden, welche Eigenschaften
nur für ein bestimmtes Individuum gelten und welche wiederum einen
allgemein gültigen Charakter besitzen. (...) die Kultur- und Zivilisationsmuster
der Gruppe, welcher sich der Fremde nähert, sind für ihn kein
Schutz sondern ein Feld der Abenteuer, keine Selbstverständlichkeit,
sondern ein fragwürdiges Untersuchungsthema (...) eine problematische
Nach Alfred Schütz lassen
sich aus diesen Schwierigkeiten, die der Fremde hat, zwei Einstellungen
erklären. Einerseits gibt die Objektivität des Fremden, die klarerweise
aus der Tatsache entsteht, daß er sich der neuen Gruppe zuerst als
„Soziologe“ nähert, und daher vielmehr das Bedürfnis entwickelt
sich die neuen Kultur- und Zivilisationsmuster in ihren
Bei der anderen Einstellung
handelt es sich eher um ein Vorurteil der Gruppe dem Fremden gegenüber.
Vor allem findet dieses Vorurteil dann großen Nährboden, wenn
sich der Fremde sehr schwer tut, beziehungsweise nicht in der Lage ist,
sich diese neuen Kultur- und Zivilisationsmustern anzueignen. In diesem
Fall (...) „bleibt der Fremde (...) ein kultureller
Beim Lesen des Romans von Eva
Hoffman habe ich viele ihrer Erlebnisse gut nachvollziehen können.
Zwar verlief bei mir dieser Entwurzelungsprozess ( wenn es denn überhaupt
einer war) nicht halb so dramatisch ab, und dennoch kenne ich dieses Gefühl
zwischen den Stühlen zu sitzen sehr gut. Wie schon erwähnt, komme
ich aus Luxemburg, wo die Muttersprache nicht Deutsch oder Französisch
ist, sondern Luxemburgisch. Obwohl wir die deutsche Sprache schon
Das Gefühl, sich nicht
mehr in dem selbstverständlichen Zentrum seiner Welt zu befinden,
kann ich gut nachvollziehen. Zu meinem Erstaunen, sind immer noch sehr
wenige Österreicher informiert, was „Europa“ eigentlich heißt
und was sich alles hinter diesem Begriff versteckt. So wurde/werde ich
immer wieder mit der Frage konfrontiert „Ach, wirklich aus Luxemburg; gibt
es das denn überhaupt? Und wo liegt das denn eigentlich? Ist das nicht
ein Teil von Deutschland?“
Andere wichtige Parallelen
konnte ich zu jenen Punkten ziehen, die sich mit der Sprache befaßen.
So stand ich zum Beispiel, vor dem gleichen Dilemma wie Eva Hoffman: „Schreibe
ich nun über meine privatesten und innersten Erlebnisse
Gut verstehe ich auch die Problematik
von Eva Hoffman, wenn sie sich im Dialog mit jemandem befindet und sie
sich dessen Sprache anpassen möchte. Sie nimmt sich also ein Beispiel
daran und versucht die gleichen Ausdrücke oder Dialekte zu verwenden.
In ihren Ohren klingt es jedoch immer aufgesetzt und „unecht“ und sie beschleicht
das Gefühl sich lächerlich zu machen.
Zum Abschluß möchte ich eine sehr schöne Auseinandersetzung mit dem Thema „Fremdheit“ anhängen, die ich bei dem Komiker und Schriftsteller Karl Valentin (1882-1948) gefunden habe. Karlstadt : Wir haben in der letzten Unterrichtsstunde über die Kleidung des Menschen gesprochen und zwar über das Hemd. Wer von euch kann mir nun einen Reim auf Hemd sagen? Valentin : Auf Hemd reimt fremd! Karlstadt : Gut – und wie heißt die Mehrzahl von fremd? Valentin : Die Fremden. Karlstadt : Jawohl, die Fremden. – Und aus was bestehen die Fremden? Valentin : Aus „frem“ und „den“. Karlstadt : Gut – und was ist ein Fremder? Valentin : Fleisch, Gemüse, Obst, Mehlspeisen und so weiter. Karlstadt : Nein, nein, nicht was er ißt, will ich wissen, sondern wie er ist. Valentin : Ja, ein Fremder ist nicht immer ein Fremder. Karlstadt : Wieso? Valentin : Fremd ist der Fremde nur in der Fremde. Karlstadt : Das ist nicht unrichtig. – Und warum fühlt sich ein Fremder nur in der Fremde fremd? Valentin : Weil jeder Fremde, der sich fremd fühlt, ein Fremder ist und zwar so lange bis er sich nicht mehr fremd fühlt, dann ist er kein Fremder mehr. Karlstadt : Sehr richtig! – Wenn aber ein Fremder schon lange in der Fremde ist, bleibt er dann immer ein Fremder? Valentin : Nein. Das ist nur so lange ein Fremder, bis er alles kennt und gesehen hat, denn dann ist ihm nichts mehr fremd. Karlstadt : Es kann aber auch einem Einheimischen etwas fremd sein! Valentin : Gewiß, manchem Münchner zum Beispiel ist das Hofbräuhaus nicht fremd, während ihm in der gleichen Stadt das Deutsche Museum, die Glypothek, die Pinkothek und so weiter fremd sind. Karlstadt : Damit wollen sie also sagen, daß der Einheimische in mancher Hinsicht in seiner eigenen Vaterstadt zugleich noch ein Fremder sein kann. – Was sind aber Fremde unter Fremden? Valentin : Fremde unter Fremden sind: wenn Fremde über eine Brücke fahren und unter der Brücke fährt ein Eisenbahnzug mit Fremden durch, so sind die durchfahrenden Fremden Fremde unter Fremden, was Sie, Herr Lehrer, vielleicht so schnell gar nicht begreifen werden. Karlstadt : Oho! – Und was sind Einheimische? Valentin : Dem Einheimischen sind eigentlich die fremdesten Fremden nicht fremd. Der Einheimische kennt zwar den Fremden nicht, kennt aber am ersten Blick, daß es sich um einen Fremden handelt. Karlstadt : Wenn aber ein Fremder von Fremden eine Auskunft will? Valentin : Sehr einfach: Frägt ein Fremder in einer fremden Stadt einen Fremden um irgend etwas, was ihm fremd ist, so sagt der Fremde zu dem Fremden, das ist mir leider fremd, ich bin hier nämlich selbst fremd. Karlstadt : Das Gegenteil von fremd wäre also – unfremd? Valentin : Wenn ein Fremder
einen Bekannten hat, so kann ihm der Bekannte zuerst fremd gewesen sein,
aber durch das gegenseitige Bekanntwerden sind sich die beiden nicht mehr
fremd. Wenn aber die zwei mitsammen in eine fremde Stadt reisen, so sind
diese beiden Bekannten jetzt in der fremden Stadt wieder Fremde geworden.
Die beiden sind also – das ist zwar paradox – fremde Bekannte zueinander
geworden.
copyright Simone
Sassenrath
|