Fachliteraturseminar
- Intellektuelle Behinderung im Alter
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| A. Einführung
in die Thematik
Was ist geistige Gesundheit ? Das Streben nach geistiger
Gesundheit ist ein Ziel aller Menschen. Geistige Gesundheit ist ein wesentlicher
Bestandteil der zur Lebensqualität beisteuert.
Emotionale Stabilität und Wohlbefinden ist ein wichtiger Teil unseres menschlichen Lebens. Gute soziale und zwischen menschliche Beziehungen sind wichtig für ein reiches erfülltes Leben. Menschen mit geistiger Behinderung sind nicht im Hinblick auf diese menschliches Qualitäten eingeschränkt - Menschen mit geistiger Behinderung sind sehr wohl in der Lage ein wertvolles emotionales Leben zu genießen. Weitverbreitete Missverständnisse im Zusammenhang mit geistig behinderten Menschen. 1.) Es wird oft angenommen, dass Menschen mit intellektueller Behinderung keine psychischen Störungen aufweisen, sondern dass diese zu dem Gesamtbild der intellektuellen Behinderung zählen. 2.) Sehr häufig sieht man, dass Menschen mit geistiger Behinderung so behandelt werden als ob sie über keine richtigen Gefühle und Emotionen verfügen würden. Genauso wie alle anderen können Menschen mit geistiger Behinderung über die gesamte Bandbreite von Gefühlen und Emotionen verfügen. Sie können verletzlich und sensibel sein und auch sie können sich fürchten. 3.) Manchmal wird angenommen
dass die geistig behinderte Person Veränderungen in ihrer Umwelt nicht
wahrnimmt, oder unbeeinflusst von ihnen bleibt. In der tat ist es
jedoch so, dass die eingeschränkte Fähigkeit zu verstehen was
um sie herum passiert die Reaktionen der Menschen mit geistiger Behinderung
verstärkt.
B. Ursachen und Modelle von psychischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten bei intellektuell behinderten Menschen Seit den 70er Jahren haben
Studien immer wieder daraufhin gedeutet, dass vor allem Menschen mit geistiger
Behinderung besonders anfällig für psychopathologische Phänomene
sind.
Es ist wenig verwunderlich,
dass Menschen mit einer intellektuellen Behinderung und einem Mangel an
sozialer Kompetenz größere Schwierigkeiten haben sich in einer
komplexen Gesellschaftsstruktur zurückzufinden.
Auffälliges Verhalten kann aber auch physische Ursachen haben. So können Verhaltensweisen wie Schreien und Selbstverletzung oft eindeutig Schmerzen und Unbehagen zugeschrieben werden. Es ist also wichtig die Möglichkeit von Schmerz oder Krankheit für ein abnormes Verhalten in Betracht zu ziehen. Als Veranschaulichung eignet sich zum Beispiel ein sensorischer Defizit, wie eine nicht erkannte Taubheit oder Schwerhörigkeit, die im Laufe der zeit eine schwere Verhaltensstörung mit sich bringen kann. Als andere möglichen
Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten werden häufig folgende
Themen genannt
(Bouras, N. 1997) :
Verhaltensstörung als
gelerntes Verhalten '
Verhaltensstörung als
Kommunikation:
Verhaltensstörung als
Antwort
Immer wieder wird versucht die Ursachen von psychischen Störungen und Verhaltensstörungen in psychologisch begründeten Modellen zusammen zu fassen. In weiterer Folge sollen nur ein paar von den wichtigsten vorgestellt werden. Das Vulnerabilitäts-Streßmodell von Roder et all. Das 1977 im Rahmen der Schizophrenieforschung
entwickelte Modell ( Roder,
Die Hauptaussage des Vulnerabilitäts-Streßmodells
besagt, dass Menschen mit Einschränkungen im biologischen, psychischen
und/oder sozialen Bereich Limitierungen erleiden, die das Risiko für
sie erhöhen, bei akuten Belastungen psychische zu erkranken.
Sowohl durch die Vulnerabilität als auch durch die Stressoren, denen die geistig Behinderten Menschen in unserer Gesellschaft ausgesetzt sind und die wiederum Auswirkungen auf die Vulnerabilität besitzen, ist davon auszugehen, dass geistig behinderte Menschen ein erhöhtes Risiko haben, psychisch zu erkranken bzw. Verhaltensauffälligkeiten zu entwickeln ( Bradl, 1994). Verschärft wird das Ganze durch die begrenzte Verfügbarkeit von sogenannten Bewältigungsstrategien (Coping Skills) (David & Neukäter, 1995). Vor allem älter werdende Menschen mit geistiger Behinderung werden aufgrund des Abbaus ihrer Copingmöglichkeiten psychisch verletzlicher. Nicht selten werden sie sehr anfällig für umweltbedingten Stress, der wiederum zu einer negativen psychischen Veränderung führen kann (Moss 1997) Das 4 - Variantenmodell von Schmidt In diesem Modell beschreibt Schmidt (1994) vier verschiedene Varianten für das Auftreten psychischer Störungen bei geistig Behinderten. In der ersten Variante wird davon ausgegangen, dass die Grunderkrankung die Intelligenzminderung auslöst, aus der wiederum die psychische Störung entsteht. Dieser Ansatz basiert auf der defektorientierten Psychopathologie und der monokausalen Ursachenbeschreibung. Bradl (1 994) nennt diese Variante "das traditionelle psychiatrische Erklärungsmodell". Dieser psychologische Nihilismus hatte fast immer die Nicht-Therapie der psychischen Störung als Folge: Da die lntelligenzminderung die die psychische Störung als Folge haben soll, irreversibel ist, wurde auch die psychische Störung als zur Intelligenzminderung gehörig betrachtet und gleichfalls als irreversibel eingestuft. In der zweiten Variante wird davon ausgegangen, dass die psychische Störung und die Intelligenzminderung von einer gemeinsamen Grundstörung ausgelöst werden. Die dritte Variante geht davon aus, dass die Beeinträchtigung der Intelligenz von der Grundstörung ausgelöst wird. Die psychische Störung hingegen entsteht aufgrund eines anderen Risikofaktors. Allerdings beeinflusst die lntelligenzminderung die Entwicklung und den Verlauf der Psychischen Störung. Dieser Ansatz steht in der Forschung erst seit kurzer Zeit im Mittelpunkt der Betrachtung. So schreiben Lotz & Koch (1 994), dass wir lernen, zwischen der lntelligenzminderung selbst und den sie eventuell begleitenden Verhaltensauffältigkeiten zu differenzieren und die Fähigkeit" dieser Personen anerkennen, unabhängig von ihrer geistigen Behinderung psychisch zu erkranken"( S. 13). Die vierte Variante zeigt, dass aufgrund der durch die Grunderkrankung ausgelösten Intelligenzminderung das Risiko ansteigt, dass weitere Faktoren entstehen, die eine psychische Störung auslösen, auf die in Entwicklung und verlauf wiederum die Intelligenzminderung Einfluss nimmt. Ob nun diese Risikofaktoren stärkeren Einfluss auf die Entwicklung und den Verlauf der psychischen Störung nehmen als die Intelligenzminderung, kann freilich nicht genau festgestellt werden. Viele Fähigkeiten werden
von geistig Behinderten aufgrund nicht vorhandener Handlungskompetenzen
oder Abwehrmechanismen nicht oder nur unzureichend erworben (Schmidt, 1994).
Das Modell der erlernten Hilflosigkeit von Seligman Nezu et al. (1992) schlug als
Erklärungsmodell die Theorie der erlernten Hilflosigkeit von Seligman
(1975) vor, um die größere Anfälligkeit von Menschen mit
geistiger Behinderung für psychopathologische Phänomene zu
Die erlernte Hilflosigkeit von Seligman hat 3 Folgen 1.) Einfluss auf die Motivation
- Wenn man merkt dass die eigenen Handlungen keinen Einfluss auf de Umweltereignisse
haben, ist kein Anreiz vorhanden sich weiterhin anzustrengen etwas zu tun.
In anderen Worten, es führt zur Passivität.
Das Morbiditätsmodell von Baumeister Baumeisters « neue Morbiditätsmodell
der geistigen Behinderung » (1988)
Das Modell von Murrell & Norris Murrel & Norris schlagen
ein Erklärungsmodell hinsichtlich der Funktion psychosozialer Faktoren
bei der Entstehung von Krankheiten vor. Dieses Modell beruht auf Beiträgen
von Cassel (1975).
Unter Stressoren wird eine
große Vielfalt an Ereignissen verstanden, wie zum
Hervorzuheben sind in diesem
Zusammenhang die Stressoren die vor allem für geistig Behinderte eine
Gefahr darstellen. Dies sind zum Beispiel unangemessene Unterstützung
durch Freunde, soziale Stigmatisierung, Dominanz durch andere geistig Behinderte
sowohl am Arbeitsplatz als auch am Wohnplatz und Konflikte zwischen den
betroffenen und den Betreuern. Dieser letztgenannte Punkt ist der am häufigsten
genannte Grund für allgemeine Unzufriedenheit bei geistig behinderten
Menschen wie in einer Studie von Moss et al 1992 festgestellt werden konnte.
Reichhaltige Angebote, Schutz und persönlicher Beistand unterstützen
die psychische Entwicklung und Gesundheit und werden daher als sogenannte
Puffer gegen umweltbedingte Stressoren angesehen.
C. Ätiologie und Verhaltensphänotypen bei bestimmten Formen intellektueller Behinderung - Menschen mit geistiger Behinderung
weisen eine große Bandbreite an den verschiedensten Verhaltensauffälligkeiten
auf. Man hat jedoch herausgefunden, dass es zu einer auffallenden Homogenität
für bestimmte Verhaltensweisen bei einer Reihe von Syndromen kommt.
Obwohl man natürlich innerhalb der Syndrome unterschiedliche Ausprägungsformen
der verschiedenen Verhaltensauffälligkeiten vorfindet, so sticht es
trotzdem ins Auge dass es für bestimmte Syndrome bestimmte Verhaltensweisen
gibt die sich wie ein roter Faden durch das jeweilige Syndrom ziehen.
Der Phänotypus ist die
Summe aller an einem Einzelwesen vorhandenen Merkmale, sein äußeres
Bild, seine äußere Erscheinungsform und seine funktionalen Eigenschaften
die durch den Genotypus im Zusammenwirken mit Umwelteinflüssen verschiedener
Art geprägt werden.
In folgendem Beitrag werden
verschieden Formen von intellektueller Behinderung vorgestellt, bei denen
sich die Vermutung erhärtet hat dass es einen Zusammenhang gibt zwischen
genetischen Abweichungen und den daraus resultierenden Verhaltensweisen'
Pränatal bedingte Formen Ursachen für das Lesch-Nyhan
Syndrom liegen in einer Enzymstörung des Purinmetabolismus, die
zu einer Oberproduktion der Harnsäure führt, der sogenannten
Hyperurikämie.
Dieses Syndrom tritt ausschließlich
beim männlichen Geschlecht auf. Es geht mit schwerer bis schwerster
Form von intellektueller Behinderung einher, wobei es bis zu einem IQ von
60 Punkten kommen kann. Das Lesch-Nyhan-Syndrom nimmt aufgrund von
seinen schweren Verhaltensstörungen eine Sonderstellung ein, da es
vor allem für die Theorie- und Therapieentwicklung von Selbstverletzungsverhalten
eine große Bedeutung erhält.
Das fragile X-Syndrorn, das seinen Namen wegen der brüchigen Stelle am langen Arm des X-Chromosoms erhalten hat, tritt vorwiegend bei Männern auf. Es lassen sich aber auch Frauen mit leichterer Ausprägung des Syndroms finden. Bei diesem Syndrom findet man eine große Variabilität des Intelligenzquotienten, der teilweise sogar Durchschnittswerte annehmen kann. Gekennzeichnet wird das fragile X-Syndrom durch eine gravierende Störung in der Sprachentwicklung. Hinzu kommt dass Personen mit diesem Syndrom einen Hang zu Bewegungsstereotypien haben, hyperaktives Verhalten aufzeigen, zu mangelndem Blickkontakt und zu Selbstverletzungstendenzen neigen. Oft werden Person mit fragilem X-Syndrom fälschlicherweise dem Autismus zugeordnet. Dykens et al. (1 994) ist es vor kurzer Zeit gelungen einen Zusammenhang zwischen den Gensequenzen an der brüchigen stelle des X-Chromosoms zu finden und dem Schweregrad von den Verhaltensauffälligkeiten, die für dieses Syndrom so typisch sind. Zu den pränatal bedingten Formen gehören freilich noch viele andere Syndrome auf die ich hier aber nicht weiter eingehen will. Folgende Syndrome wären hier noch zu erwähnen:(polygenetisch) Cornelia-de-Lange-Syndrom, Moebius-Syndrom, Prader-Wilii-Syndrom, Williams-Beuren-Syndrom, (chromosomale Abberation) Downsyndrom, Angelmannsyndrom, Cri-duchatsyndrom, Klinefeltersyndrom. Perinatal bedingte Formen Intellektuelle Behinderung
die durch perinatal bedingte Ursachen hervorgerufen wurde geht in der Regel
mit schweren Verhaltensauffälligkeiten einher, wobei man in den meisten
Fällen von einer Symptomatik sprechen kann die einen psychoorganischen
Syndrom zugeordnet werden kann.
Postnatal bedingte Formen , An und für sich gibt es keinen echten Zusammenhang zwischen postnatal entstandener intellektueller Behinderung und bestimmten Verhaltens-Auffälligkeiten. Ausnahmen hierzu bilden Formen
bei denen ein hirntraumatisches Ereignis während der Entwicklungsphase
stattgefunden hat oder bei denen es zu einer Vergiftung (zum Beispiel Bleivergiftung)
in diesem Abschnitt gekommen ist, und Formen bei denen die Entwicklung
des ZNS durch einen degenerativen Prozess gestört wurde.
Das Rett-Syndrorn wurde 1966 zum ersten mal beschrieben, fand aber erst viel später in den 80er Jahren weltweit Anerkennung. Bis jetzt wurde das RettSyndrom ausschließlich bei Personen weiblichen Geschlechts vorgefunden, was den Verdacht erhärtet daß es sich um eine X-chromosomal rezessive Störung handelt. Es liegen Ergebnisse vor die
darauf schließen lassen dass es sich beim RettSyndrom um eine Störung
in den Neurotransmittersystemen von Dopamin und Adrenalin handeln könnte.
Das Rett-Syndrom geht mit einer schweren lntelligenzminderung einher, wobei
der IQ Werte von 35 erreichen kann.
D. Dualdiagnose : Psychische Störungen und Verhaltensstörungen bei intellektueller Behinderung Die Forschung der vergangenen
Jahre die sich mit den psychopathologischen Erscheinungsbildern bei erwachsenen
Menschen mit intellektueller Behinderung gewidmet hat, konnte vielfach
feststellen, dass psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten
deutlich vermehrt bei Menschen mit geistiger Behinderung auftreten als
bei der Allgemeinbevölkerung.
Verhaltensstörungen ..Es handelt sich hierbei um
Verhaltensauffälligkeiten die als bizarr, störend und herausfordernd
umschrieben werden bzw. um Verhaltensweisen mit direkt schädlichen
Konsequenzen wie zum Beispiel automutitatives
Unter Verhaltensstörungen
fallen verschiedene Erscheinungsbilder wie Aggression, wobei es sich sowohl
um verbale als auch um körperliche Aggression gegen andere und Gegenstände
handeln kann. Hierunter fallen auch die Selbstverletzenden Tendenzen
(Automutilationen). Diese oft lebensgefährlichen Tendenzen reichen
vom rhythmischen Schlagen des Kopfes gegen eine Wand, über sich ins
Gesicht schlagen, sich die Augen eindrücken, bis hin zu Selbstverstümmelungen
von Gliedmaßen.
In letzter Zeit hat sich der Begriff "herausforderndes Verhalten" ( challenging behavior) weitgehend durchgesetzt. Qureshi & Alborz (1992) geben folgende Definition dafür an, die vor allem im praxisbezogenem Umgang mit Betroffenen von großer Bedeutung ist: "..ein Verhalten, weiches (a) zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Person selbst oder bei Drittpersonen zu mehr als geringfügigen Verletzungen geführt hat, (b) zu einem bestimmten Zeitpunkt zu Zerstörungen in der direkten Wohn- oder Arbeitsumwelt geführt hat, (c) weiches die Person in extreme Gefahr bringt, bzw. weiches die Intervention von mehr als einer Betreuungsperson benötigt und mehr als einmal im Monat vorkommt und (d), weiches Unterbrechungen in den Aktivitäten der umgebenden Personen von mehreren Minuten hervorruft und täglich mehrmals vorkommt." Es ist eine Tatsache, dass über die Menschen mit Dualdiagnose und ihre charakteristischen Merkmale sehr wenig gewusst wird und noch weniger weiß man über den Einfluss des Alters auf die Verhaltensauffälligkeiten und die psychischen Störungen. Man hat jedoch herausgefunden, dass bei Menschen mit intellektueller Behinderung ursprüngliche Verhaltensstörungen (solche wie sie im Kindes- und Jugendalter aufgetreten sind) im Erwachsenen alter wesentlich abgeschwächter auftreten (Rollett, 1997). Oft kommt es auch zu einer Verlagerung der Symptomatik bei gleichbleibendem Schweregrad, wobei es sich hier gehäuft um Erscheinungsbilder handelt die man auch aus der Allgemeinbevölkerung kennt, wie zum Beispiel Angststörungen, Depressionen, Psychosen, usw. Psychische Störungen Wie schon erwähnt können Erwachsenen mit intellektueller Behinderung die gesamte Palette von psychiatrischen Störungen haben wie sie uns aus der Allgemeinbevölkerung schon bekannt sind. Die wichtigsten seien hier nur kurz aufgezählt. Persönlichkeitsstörung:das sind Langzeitprobleme die Veränderungen im Laufe der Zeit unterworfen sind. Es gibt verschiedenen Subtypen wie zum Beispiel emotional anhänglich, aufmerksamkeitserregend, aufbrausend, unbeständig- sprunghaft.... Affektive Störungen: Störungen der Grundstimmung die sich meist durch eine tiefe Traurigkeit ankündigen, häufig verbunden mit auffallenden Veränderungen der Eß- und Schlafgewohnheit und des Antriebes. Es kann auch zu plötzlichen euphorischen Ausbrüchen kommen. Angst: Zeichnen sich aus durch extreme Angstzustände, häufige Beschwerden über körperliche Leiden wie Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Schwindelgefühl. Hinzu kommt oft eine extreme Nervosität die Wochen andauert. Hierunter fallen Panikstörungen und posttraumatische Stressstörung. Psychotische Störungen:können sich in krassen Verschlechterungen des Verhaltens zeigen, verbunden mit extremer Desorientierung und Verwirrtheit, Stimmenhören, exzessive Ärgerausbrüche und geringer Kontrolle der Impulsivität. Vermeidungsverhalten :Wird oft verwechselt mit Autismus. Der Betroffenen ist ein Einzelgänger der seine Mitmenschen meidet aus Angst vor Kritik, Scham und dem Nicht-Akzeptiert werden. Paranoide Persönlichkeitsstörung: Der Betroffene verhält sich anderen gegenüber als äußerst misstrauisch und fühlt sich schnell hintergangen und angegriffen. Sie neigen zu Oberreaktionen ("machen aus der Mücke einen Elefanten") ,können sehr stur sein und sind meist sehr schwierig im Umgang. Aus den Analysen neuerer Studien von Rojahn, Borthwick-Duffy & Jacobson (1 993) geht hervor, dass Verhaltensweisen weit häufiger wahrgenommen werden als die psychischen Störungen. Dies hat vermutlich mit der Fehldeutung zu tun, weil immer wieder vorkommt, dass man psychische Störungen nicht als etwas Eigenes ansieht, sondern als Teil der intellektuellen Behinderung. Dieses Phänomen wird oft als sogenanntes"diagnostic overshadowing" bezeichnet. Es kann schwerwiegende Folgen für den Betroffenen haben, da oft den wahren Problemen nicht die angebrachte Relevanz zugesprochen wird oder oft einfach übersehen werden und der Patient in falsche Richtungen therapiert wird. Nach Schroeder, Rojahn & Oldenquist (1991) ist es wichtig zu bedenken, dass psychische Störungen mit zunehmender Verschlechterung der Intelligenz immer schwerer diagnostizierbar sind und aus diesem Grund oft einfach nicht erkannt werden als solche. Das hat viel mit der Tatsache zu tun, dass es immer noch keine adäquaten diagnostischen Verfahren ür Menschen mit intellektueller Behinderung gibt. So haben bereits Ovner & Hurley 1983 darauf hingewiesen, dass es fraglich ist in wieweit die gängigen Kriterien und Richtlinien für die Erfassung und Bestimmung psychopathologisch er Störungen bei Menschen mit intellektueller Behinderung anwendbar sind. Ein anderes Problem das damit
verbunden ist, ist dass man bei der Exploration eines Menschen mit intellektueller
Behinderung zu einem Großteil an Aussagen von dritten gebunden ist,
da der Betroffenen selbst oft nicht über ausreichende Sprachentwicklung
und Ausdrucksfähigkeit verfügt.
E. Verhaltensstörungen und psychische Störungen im Alter und ihre Einwirkungen auf die soziale Integration .. Das Interesse an der psychischen Gesundheit älterer Menschen mit geistiger Behinderung hat in den letzten Jahren in den Forscherkreisen merkbar zugenommen. ( ... )Außerdem stieg die Lebenserwartung geistig behinderter signifikant an. ln logischer Konsequenz gibt es vermehrt ältere Menschen mit psychischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten' ( Dosen, A. 1997). Der intellektuell behinderte Mensch hat auch in fortgeschrittenem Alter ein Recht in seinem Person sein, in seiner Würde in seinen Befindlichkeiten und Bedürfnissen , in seiner Autonomie als aktives und kompetentes Wesen Ernst genommen zu werden und nach einem sinnerfüllten Leben zu streben. Es ist in modernen Auslegungen nicht mehr angebracht den alternden psychisch kranken nur noch als belastenden psychiatrisch-geriatrischen fall anzusehen. Vielmehr wird heutzutage auf die Wechselwirkungen und Zusammenhängen von schweren genetisch-organisch bedingten Entwicklungsstörungen und der Umwelt in dem der betroffene lebt eingegangen. Man geht von einem gestörten Individuum-Umwelt- Interaktionsverhältnis aus um die aufkommenden Verhaltensauffälligkeiten zu erklären. Das Individuum mit seinen speziellen
Bedürfnissen in seiner Lebenswelt sollen im Mittelpunkt stehen und
die zwei rechte, das recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung, auf
Selbstbestimmung und das recht auf zusammenleben in der Gesellschaft, sollten
handlungsbestimmend sein.
Es gibt auch im Alter Lebensereignisse die schwer zu verarbeiten sind, sowohl für nichtbehinderte als auch für Geistig behinderte. So löst der Eintritt in den Ruhestand oft eine große leere aus. Die Leute fühlen sich Nutzlos und nicht mehr als Teil der Gesellschaft. Geistig Behinderte trifft das noch härter, da sie Veränderungen im Alter schwerer verarbeiten und außerdem über wenig Möglichkeiten verfügen sich aktiv auf den Ruhestand vorzubereiten um ihm Gestaltung zu geben. Ein anderes lifeevent mit dem immer mehr ältere Menschen mit intellektueller Behinderung konfrontiert sind ist der Tod von Angehörigen. Durch eine Verbesserung der medizinischen Versorgung werden die geistig Behinderten heutzutage viel älter und sehr viel von ihnen überleben ihre Eltern. Es ist deshalb sehr wichtig, dass sie vorhandene Kontakte zu Freunden und anderen Familienmitgliedern pflegen und ausbauen zu lernen. Gerade zur Bewältigung der eigenen Lebensgeschichte und auch zur Bewältigung von Todesfällen ist es hilfreich wenn Familienmitglieder ihren intellektuell behinderten Familienmitgliedern die eigene Biographie und auch ihren eigenen Tod nahe bringen und ihnen helfen sich damit auseinander zu setzten und mit der Trauer und Angst fertig zu werden. Überhaupt wird der Einfluss der Umwelt oft nicht in dem Ausmaße realisiert der ihm wirklich zusteht. Das Verhaften einer einzelnen Person in einer bestimmten Umgebung ist direkt abhängig von der Gestaltung dieser Umgebung und daher kann die Umwelt nicht getrennt vom Verhalten studiert werden a( Davidson, P. W., 1997). Ein wichtiger Aspekt im Leben des älteren geistig behinderten Menschen scheint der Druck der Umwelt zu sein. In der Tat wirken verschiedene Umgebungen auch jeweils verschieden auf ältere Menschen und stellen andere Anforderungen an ihn. Menschen mit höherem Kompetenzgrad zeigen ein Verhalten, das eine bessere Anpassung darstellt, als Menschen mit niedrigerem Kompetenzgrad, wobei aber die Abhängigkeit von dieser Umgebung mit der Einschränkung der Funktion des älteren Menschen einher geht. Verliert eine Person mit geistiger Behinderung die Fähigkeit, eine bestimmte, für sie eigentlich einfache, Aufgabe zu erledigen, können dadurch stereotype Verhaltensweisen, Aggressionen oder andere unangepasste Handlungen hervorgerufen werden. Dies wird um so akzentuierter, wenn die betreffende Person bereits Schwierigkeiten hat, mit einer veränderten Umgebung umzugehen. Hierbei sei etwa angeraten, unnötige Stimulationsquellen, wie etwa übermäßiger Straßenlärm, Hintergrundgeräusche von Fernseher oder Radio und ähnliches, weitgehendst zu reduzieren. Andererseits kann zu wenig
Stimulation wiederum zu intellektuell und emotional auffälligen Verhalten
führen. Es muss eine Art Mittelmaß an sogenannt redundanten
Erfahrungsmöglichkeiten gefunden werden, die, miteinander in Verbindung
gebracht, dem älteren Menschen einen Fortschritt im Anpassungsverhalten
ermöglichen.
G. Literaturverzeichnis Bradl, C. (1994). Verhaltensauffälligkeiten bei Menschen mit geistiger Behinderung. Geistige Behinderung, 33, 117-123. David, D. & Neukäter, H. ( 1995). Doppeldiagnose: Geistige Behinderung/ Psychische Störung. Sonderpädagogik, 25, 54-58. Dilling, H.; Mombour, W. & Schmidt, M. H. (Hrsg.) (1993). ICD 10. Internationale Klassifikation psychischer Störungen. WHO. Bern: Hans Huber Verlag. Fiedler, P. (1 994). Persönlichkeitsstörungen. In H. Reinecker (Hrsg.), LehrbuchL1 der klinischen Psychologie ( S. 391-414). Göttingen- Hogrefe. Hauser, M.J. & Ratey, J.J. The patient with Mental Retardation. http://www.psychiatry.com/mr/patientwmr.html Herkner,W. (1991). Sozialpsychologie. Bern: Verlag Hans Huber. Jacobson, J.W. (1990). Do some mental disorders occur less frequently among persons with mental retardation ? American Journal on Mental Retardation, 94, 596-602. Lotz,W.&Koch,U.(1994). Zum Vorkommen psychischer Störungen bei Personen mit geistiger Behinderung. In W. Lotz, U. Koch & B. Stahl ( Hrsg.), Psychotherapeutische Behandlung geistig behinderter Menschen (S. 13-39). Bern: Huber Verlag. Psychrembel. Klinisches Wörterbuch. 256. Auflage (1994). W. de Gruyter Verlag. Reiss, S.; Goldberg, B. & Ryan, R. (1993). Mental Illness in Persons with Mental Retardation. Roder, V.; Brenner, H. D.;
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Sassenrath
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