Fachliteraturseminar - Intellektuelle Behinderung im Alter


A. Einführung in die Thematik
 

Was ist geistige Gesundheit ?

Das Streben nach geistiger Gesundheit ist ein Ziel aller Menschen. Geistige Gesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil der zur Lebensqualität beisteuert.
Die zwei Hauptmerkmale von geistiger Gesundheit sind einerseits emotionales Wohlbefinden und andererseits wertvolle soziale und zwischenmenschliche Beziehungen.

Emotionale Stabilität und Wohlbefinden ist ein wichtiger Teil unseres menschlichen Lebens. Gute soziale und zwischen menschliche Beziehungen sind wichtig für ein reiches erfülltes Leben.

Menschen mit geistiger Behinderung sind nicht im Hinblick auf diese menschliches Qualitäten eingeschränkt - Menschen mit geistiger Behinderung sind sehr wohl in der Lage ein wertvolles emotionales Leben zu genießen.

Weitverbreitete Missverständnisse im Zusammenhang mit geistig behinderten Menschen.

1.) Es wird oft angenommen, dass Menschen mit intellektueller Behinderung keine psychischen Störungen aufweisen, sondern dass diese zu dem Gesamtbild der intellektuellen Behinderung zählen.

2.) Sehr häufig sieht man, dass Menschen mit geistiger Behinderung so behandelt werden als ob sie über keine richtigen Gefühle und Emotionen verfügen würden.  Genauso wie alle anderen können Menschen mit geistiger Behinderung über die gesamte Bandbreite von Gefühlen und Emotionen verfügen.  Sie können verletzlich und sensibel sein und auch sie können sich fürchten.

3.) Manchmal wird angenommen dass die geistig behinderte Person Veränderungen in ihrer Umwelt nicht wahrnimmt, oder unbeeinflusst von ihnen bleibt.  In der tat ist es jedoch so, dass die eingeschränkte Fähigkeit zu verstehen was um sie herum passiert die Reaktionen der Menschen mit geistiger Behinderung verstärkt.
 So kann zum Beispiel die Umstellung des Betreuungspersonals, allgemeine Veränderungen in der Unterkunft des Patienten, neue Mitbewohner oder Krankheiten und Todesfälle im Familien -und Freundeskreis zu einem schwerwiegenden Ungleichgewicht in Verhalten führen.

B. Ursachen und Modelle von psychischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten bei intellektuell behinderten Menschen

Seit den 70er Jahren haben Studien immer wieder daraufhin gedeutet, dass vor allem Menschen mit geistiger Behinderung besonders anfällig für psychopathologische Phänomene sind.
Die Psychopathologie wird zu einer besonderen Herausforderung wenn es darum geht die persönliche Unabhängigkeit eines Menschen zu fördern. Gleichzeitig ist es aber auch die Psychopathologie die zur Institutionalisierung führt.

Es ist wenig verwunderlich, dass Menschen mit einer intellektuellen Behinderung und einem Mangel an sozialer Kompetenz größere Schwierigkeiten haben sich in einer komplexen Gesellschaftsstruktur zurückzufinden.
Unterdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten und die Einengung in den adaptiven Fähigkeiten die untrennbar mit geistiger Behinderung einher gehen , sind zu einem großen Teil die Ursache für die immer wiederkehrenden Stresserlebnisse, die immer wiederkehrende Angst, der immer wiederkehrende Kontrollverlust und das immer wiederkehrende tiefe Gefühl der Unsicherheit

Auffälliges Verhalten kann aber auch physische Ursachen haben.  So können Verhaltensweisen wie Schreien und Selbstverletzung oft eindeutig Schmerzen und Unbehagen zugeschrieben werden.  Es ist also wichtig die Möglichkeit von Schmerz oder Krankheit für ein abnormes Verhalten in Betracht zu ziehen.  Als Veranschaulichung eignet sich zum Beispiel ein sensorischer Defizit, wie eine nicht erkannte Taubheit oder Schwerhörigkeit, die im Laufe der zeit eine schwere Verhaltensstörung mit sich bringen kann.

Als andere möglichen Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten werden häufig folgende Themen genannt (Bouras, N. 1997) :
Verhaltensstörung als Antwort auf ein reizarmes Umfeld
Die Wahrscheinlichkeit für erwachsenen und ältere geistig behinderte Menschen in eine psychiatrische Anstalt zu kommen ist recht hoch.  Dass diese Krankenhäuser nicht immer die ideale Umgebung für diese Menschen darstellen ist kein Geheimnis.  Es werden wenig Aktivitäten und sonstige Beschäftigungen angeboten und auch auf sozialem zwischenmenschlichem Plan zeichnet sich meist ein sehr dürftiges Bild ab.  Oft sind die Interaktionen zwischen Betreuer und Betroffenen gekennzeichnet von einer gewissen Härte und Forderung seitens der Betreuer, anstatt unterstützend zu sein.  Die Lebensqualität ist für die betroffenen Personen meistens sehr eingeschränkt.  Dass es in einer solchen Umgebung gehäuft zu auffälligen Verhaltensweisen kommt die nach Zuneigung, Kontakt, Aktivität und Vermeidung unangenehmer Ansprüche streben ist offensichtlicher zu erwarten als es dies in einer unterstützenden, empathischen Umgebung der Fall wäre.

Verhaltensstörung als gelerntes Verhalten '
Verhaltensauffälligkeiten lassen sich eben so erlernen e jedes andere Verhalten.  Ein Verhalten was ursprünglich nicht auf eine Belohnung abzielte, aber als Reaktion darauf trotzdem etwas folgte was für die betreffende Person als angenehm empfunden wurde, so wird die Person in weiterer Folge mit dem Verhalten eine für ihn positive Konsequenz verbinden; eine Belohnung so zu sagen.
Früher wurde auffälliges Verhalten meist mit dem Label "aufmerksamkeitserregend" versehen und daher oft unbeachtet gelassen.  Mittlerweile wird versucht das Verhalten differenzierter zu betrachten und in direktem Zusammenhang mit den Bedürfnissen der jeweiligen Person zu sehen.
So konnte man 4 verschiedene Belohnungstypen heraus filtern.
1 . Der soziale Typus: Interaktion mit einem anderen wird als Belohnung empfunden.
2. Der primär greifbare Typus : Die Belohnung liegt in der Nahrungsaufnahme oder dem Rauchen; in Dingen die konsumiert und berührt werden können.
3. Der sensorische Typus: Sensorische Stimulation ist die Belohnung.
4. Der Anforderungsvermeidungstypus - man geht unangenehmem aus dem Weg und empfindet dies als Belohnung.

Verhaltensstörung als Kommunikation:
Dies steht in engem Kontakt zu dem vorher erwähnten Punkt, da man solchen Verhaltensweisen die eine Reaktion aus der Umwelt des Betroffenen erzeugt, einen kommunikativen Charakter zuspricht.

Verhaltensstörung als Antwort
Erwachsenen intellektuell Behinderte können sich ihrer Behinderung sehr wohl bewusst sein.  Alle sind aber alleine nicht immer in der Lage ihre Lebenssituation zu bewältigen, was oft starke Gefühle des Zorns, der Hilflosigkeit und des Schmerzes hervorruft.
Leider sind die geistig Behinderten den Reaktionen ihrer Umgebung meistens hilflos ausgesetzt und leider ist diese Umwelt nicht immer stützend und hilfsbereit.  Es kommt immer wieder vor dass Menschen mit intellektueller Behinderung sowohl emotional wie physisch, sexuell und psychisch missbraucht werden.  So hat sich gezeigt, dass bei verschiedenen Verhaltensstörungen ein konkreter Missbrauch zurückverfolgt werden konnte.

Immer wieder wird versucht die Ursachen von psychischen Störungen und Verhaltensstörungen in psychologisch begründeten Modellen zusammen zu fassen.  In weiterer Folge sollen nur ein paar von den wichtigsten vorgestellt werden.

Das Vulnerabilitäts-Streßmodell von Roder et all.

Das 1977 im Rahmen der Schizophrenieforschung entwickelte Modell ( Roder,
Brenner, Kienzie & Hodel, 1991).von Zubin und Spring wurde in den letzten
Jahren gehäuft zur Erklärung des Auftretens von psychischen Störungen bei geistigen Behinderten verwendet (David & Neukäter,1995; Fiedler, 1994; Steiger, 1994 ).

Die Hauptaussage des Vulnerabilitäts-Streßmodells besagt, dass Menschen mit Einschränkungen im biologischen, psychischen und/oder sozialen Bereich Limitierungen erleiden, die das Risiko für sie erhöhen, bei akuten Belastungen psychische zu erkranken.
Es werden 2 verschiedene Formen der Vulnerabilität beschrieben, die genetisch bedingte und die erworbene Form. Es wird angenommen dass die Vulnerabilität allein schon ausreicht, um eine psychische Störung auszulösen.  Kommen zusätzlich noch akute oder chronische Stressfaktoren hinzu, wird das Erkrankungsrisiko dementsprechend erhöht. Gegen die Stressoren können Copingfähigkeiten des Individuums wirken.

Sowohl durch die Vulnerabilität als auch durch die Stressoren, denen die geistig Behinderten Menschen in unserer Gesellschaft ausgesetzt sind und die wiederum Auswirkungen auf die Vulnerabilität besitzen, ist davon auszugehen, dass geistig behinderte Menschen ein erhöhtes Risiko haben, psychisch zu erkranken bzw.  Verhaltensauffälligkeiten zu entwickeln ( Bradl, 1994).  Verschärft wird das Ganze durch die begrenzte Verfügbarkeit von sogenannten Bewältigungsstrategien (Coping Skills) (David & Neukäter, 1995).

Vor allem älter werdende Menschen mit geistiger Behinderung werden aufgrund des Abbaus ihrer Copingmöglichkeiten psychisch verletzlicher.  Nicht selten werden sie sehr anfällig für umweltbedingten Stress, der wiederum zu einer negativen psychischen Veränderung führen kann (Moss 1997)

 Das 4 - Variantenmodell von Schmidt

 In diesem Modell beschreibt Schmidt (1994) vier verschiedene Varianten für das Auftreten psychischer Störungen bei geistig Behinderten.

In der ersten Variante wird davon ausgegangen, dass die Grunderkrankung die Intelligenzminderung auslöst, aus der wiederum die psychische Störung entsteht.  Dieser Ansatz basiert auf der defektorientierten Psychopathologie und der monokausalen Ursachenbeschreibung. Bradl (1 994) nennt diese Variante "das traditionelle psychiatrische Erklärungsmodell".  Dieser psychologische Nihilismus hatte fast immer die Nicht-Therapie der psychischen Störung als Folge: Da die lntelligenzminderung die die psychische Störung als Folge haben soll, irreversibel ist, wurde auch die psychische Störung als zur Intelligenzminderung gehörig betrachtet und gleichfalls als irreversibel eingestuft.

In der zweiten Variante wird davon ausgegangen, dass die psychische Störung und die Intelligenzminderung von einer gemeinsamen Grundstörung ausgelöst werden.

Die dritte Variante geht davon aus, dass die Beeinträchtigung der Intelligenz von der Grundstörung ausgelöst wird.  Die psychische Störung hingegen entsteht aufgrund eines anderen Risikofaktors. Allerdings beeinflusst die lntelligenzminderung die Entwicklung und den Verlauf der Psychischen Störung.  Dieser Ansatz steht in der Forschung erst seit kurzer Zeit im Mittelpunkt der Betrachtung. So schreiben Lotz & Koch (1 994), dass wir lernen, zwischen der lntelligenzminderung selbst und den sie eventuell begleitenden Verhaltensauffältigkeiten zu differenzieren und die Fähigkeit" dieser Personen anerkennen, unabhängig von ihrer geistigen Behinderung psychisch zu erkranken"( S. 13).

Die vierte Variante zeigt, dass aufgrund der durch die Grunderkrankung ausgelösten Intelligenzminderung das Risiko ansteigt, dass weitere Faktoren entstehen, die eine psychische Störung auslösen, auf die in Entwicklung und verlauf wiederum die Intelligenzminderung Einfluss nimmt. Ob nun diese Risikofaktoren stärkeren Einfluss auf die Entwicklung und den Verlauf der psychischen Störung nehmen als die Intelligenzminderung, kann freilich nicht genau festgestellt werden.

Viele Fähigkeiten werden von geistig Behinderten aufgrund nicht vorhandener Handlungskompetenzen oder Abwehrmechanismen nicht oder nur unzureichend erworben (Schmidt, 1994).
Allerdings kann Intelligenzminderung nach Schmidt (1994) auch umgekehrt als Schutzfaktor wirken, wenn durch sie verhindert wird, dass Wahrnehmungen kognitiv adäquat verarbeitet werden, deren Verarbeitung pathogene Auswirkungen haben könnte.

Das Modell der erlernten Hilflosigkeit von Seligman

Nezu et al. (1992) schlug als Erklärungsmodell die Theorie der erlernten Hilflosigkeit von Seligman (1975) vor, um die größere Anfälligkeit von Menschen mit geistiger Behinderung für psychopathologische Phänomene zu
erklären. Wird ein Lebewesen einen Ereignis ausgesetzt das sich als unkontrollierbar erweist, ist es hilflos.  Das Phänomen der Wahrnehmung und Generalisation der Unbeeinflussbarkeit nennt man erlernte Hilflosigkeit.
Man hat gelernt, dass man keine Kontrolle hat und überträgt diese Wahrnehmung fälschlicherweise auch auf spätere Situationen, obwohl man diese vielleicht kontrollieren könnte.

Die erlernte Hilflosigkeit von Seligman hat 3 Folgen

1.) Einfluss auf die Motivation - Wenn man merkt dass die eigenen Handlungen keinen Einfluss auf de Umweltereignisse haben, ist kein Anreiz vorhanden sich weiterhin anzustrengen etwas zu tun. In anderen Worten, es führt zur Passivität.
2.) Einfluss auf Lernprozesse: Die erlernte Hilflosigkeit beeinträchtigt spätere Lernprozesse, da man gelernt hat, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem eigenen Verhalten und den Antworten der Umwelt darauf (Verstärker oder Strafreize) gibt. Dies macht es schwer zu erkennen, dass in nachfolgenden Lernprozessen dennoch ein Zusammenhang bestehen kann.
3.) Einfluss auf Gefühle -. Der Beweis, dass man nichts ändern kann und der Umwelt hilflos ausgesetzt ist macht einen traurig und ängstlich. Die erlernte Hilflosigkeit führt zur Traurigkeit und Depressivität.

Das Morbiditätsmodell von Baumeister

Baumeisters « neue Morbiditätsmodell der geistigen Behinderung » (1988)
dagegen, nimmt an, dass unangemessene kognitive Fähigkeiten und ein Repertoire an adaptivem Verhalten im Zusammenhang mit biomedizinischen, sozialen und Umwelt-Faktoren die Menschen mit geistiger Behinderung anfälliger machen für chronische emotionale Störungen.

Das Modell von Murrell & Norris

Murrel & Norris schlagen ein Erklärungsmodell hinsichtlich der Funktion psychosozialer Faktoren bei der Entstehung von Krankheiten vor. Dieses Modell beruht auf Beiträgen von Cassel (1975).
Es sind vor allem zwei Faktoren die die Hauptrolle in diesem Modell spielen: einerseits gibt es die Ursachen der sogenannten Stressoren für eine Person und andererseits gibt es die Prozesse, die sogenannten Puffer die den Menschen vor den Stressoren schützen.

Unter Stressoren wird eine große Vielfalt an Ereignissen verstanden, wie zum
Beispiel Scheidung Ruhestand Tod einer nahestehenden Person, Krankheit,
Armut, Lärmbeiastung....

Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Stressoren die vor allem für geistig Behinderte eine Gefahr darstellen. Dies sind zum Beispiel unangemessene Unterstützung durch Freunde, soziale Stigmatisierung, Dominanz durch andere geistig Behinderte sowohl am Arbeitsplatz als auch am Wohnplatz und Konflikte zwischen den betroffenen und den Betreuern. Dieser letztgenannte Punkt ist der am häufigsten genannte Grund für allgemeine Unzufriedenheit bei geistig behinderten Menschen wie in einer Studie von Moss et al 1992 festgestellt werden konnte. Reichhaltige Angebote, Schutz und persönlicher Beistand unterstützen die psychische Entwicklung und Gesundheit und werden daher als sogenannte Puffer gegen umweltbedingte Stressoren angesehen.
Psychische Gesundheit wird in diesem Modell als abhängig vom Ausmaß jener verfügbaren Ressourcen gesehen, die einem helfen Stressoren erfolgreich zu begegnen.
Wichtig ist auch noch anzumerken, dass nicht nur die Überbelastung zu psychischen Störungen führen kann sondern auch die konsequente Unterforderung.

C. Ätiologie und Verhaltensphänotypen bei bestimmten Formen intellektueller Behinderung -

Menschen mit geistiger Behinderung weisen eine große Bandbreite an den verschiedensten Verhaltensauffälligkeiten auf. Man hat jedoch herausgefunden, dass es zu einer auffallenden Homogenität für bestimmte Verhaltensweisen bei einer Reihe von Syndromen kommt. Obwohl man natürlich innerhalb der Syndrome unterschiedliche Ausprägungsformen der verschiedenen Verhaltensauffälligkeiten vorfindet, so sticht es trotzdem ins Auge dass es für bestimmte Syndrome bestimmte Verhaltensweisen gibt die sich wie ein roter Faden durch das jeweilige Syndrom ziehen.
In den letzten Jahren hat die Forschung sich immer mehr von der Idee distanziert, dass Psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten per se miteinander in Verbindung stehen. Es hat sich lediglich gezeigt, dass es sogenannte Verhaltensphänotypen gibt, die gehäuft mit einer intellektuellen Behinderung einher gehen.

Der Phänotypus ist die Summe aller an einem Einzelwesen vorhandenen Merkmale, sein äußeres Bild, seine äußere Erscheinungsform und seine funktionalen Eigenschaften die durch den Genotypus im Zusammenwirken mit Umwelteinflüssen verschiedener Art geprägt werden.
Der Genotypus ist die Gesamtheit aller Erbanlagen eines Organismus dominante und rezessive Gene) die den Phänotypus bestimmen.

In folgendem Beitrag werden verschieden Formen von intellektueller Behinderung vorgestellt, bei denen sich die Vermutung erhärtet hat dass es einen Zusammenhang gibt zwischen genetischen Abweichungen und den daraus resultierenden Verhaltensweisen'
Trotzdem darf auch hier nie aus dem Auge verloren werden, dass die Forschung auf diesem Gebiet noch sehr jung ist und, dass es nach wie vor zu prüfen bleibt in wie weit Umwelteinflüsse hierbei eine Rolle spielen und auf bestimmte prädisponierende Faktoren wirken und somit erst Verhaltensauffälligkeiten hervorgerufen werden.

Pränatal bedingte Formen

Ursachen für das Lesch-Nyhan Syndrom liegen in einer Enzymstörung des Purinmetabolismus, die zu einer Oberproduktion der Harnsäure führt, der sogenannten Hyperurikämie.
Weiters konnten vor allem im dopamingesteuerten Neurotransmittersystem der Basalganglien Auffälligkeiten gezeigt werden.

Dieses Syndrom tritt ausschließlich beim männlichen Geschlecht auf.  Es geht mit schwerer bis schwerster Form von intellektueller Behinderung einher, wobei es bis zu einem IQ von 60 Punkten kommen kann.  Das Lesch-Nyhan-Syndrom nimmt aufgrund von seinen schweren Verhaltensstörungen eine Sonderstellung ein, da es vor allem für die Theorie- und Therapieentwicklung von Selbstverletzungsverhalten eine große Bedeutung erhält.
Diese Selbstverletzungstendenzen treten meistens ab dem zweiten Lebensjahr auf.  Bei diesen Verhaltensweisen, die nach aussagen der betroffenen meistens unter einem großen Zwang ausgeführt werden, handelt es sich um schwerste Verstümmelungen der Lippen, der Mundschleimhäuten der Wangen der Finger
und Händen.
Es kann aber auch zu einer Fremdaggression kommen die sich zum Beispiel gegen das Betreuungspersonal richtet.

Das fragile X-Syndrorn, das seinen Namen wegen der brüchigen Stelle am langen Arm des X-Chromosoms erhalten hat, tritt vorwiegend bei Männern auf. Es lassen sich aber auch Frauen mit leichterer Ausprägung des Syndroms finden. Bei diesem Syndrom findet man eine große Variabilität des Intelligenzquotienten, der teilweise sogar Durchschnittswerte annehmen kann.

Gekennzeichnet wird das fragile X-Syndrom durch eine gravierende Störung in der Sprachentwicklung. Hinzu kommt dass Personen mit diesem Syndrom einen Hang zu Bewegungsstereotypien haben, hyperaktives Verhalten aufzeigen, zu mangelndem Blickkontakt und zu Selbstverletzungstendenzen neigen. Oft werden Person mit fragilem X-Syndrom fälschlicherweise dem Autismus zugeordnet.

Dykens et al. (1 994) ist es vor kurzer Zeit gelungen einen Zusammenhang zwischen den Gensequenzen an der brüchigen stelle des X-Chromosoms zu finden und dem Schweregrad von den Verhaltensauffälligkeiten, die für dieses Syndrom so typisch sind.

Zu den pränatal bedingten Formen gehören freilich noch viele andere Syndrome auf die ich hier aber nicht weiter eingehen will. Folgende Syndrome wären hier noch zu erwähnen:(polygenetisch) Cornelia-de-Lange-Syndrom, Moebius-Syndrom, Prader-Wilii-Syndrom, Williams-Beuren-Syndrom, (chromosomale Abberation) Downsyndrom, Angelmannsyndrom, Cri-duchatsyndrom, Klinefeltersyndrom.

Perinatal bedingte Formen

Intellektuelle Behinderung die durch perinatal bedingte Ursachen hervorgerufen wurde geht in der Regel mit schweren Verhaltensauffälligkeiten einher, wobei man in den meisten Fällen von einer Symptomatik sprechen kann die einen psychoorganischen Syndrom zugeordnet werden kann.
Ein wesentlicher perinataler Faktor kann zum Beispiel die Anoxia weitgehendes Fehlen von Sauerstoff) sein.
Die Perinatalperiode ist der Zeitraum zwischen der 28.  Schwangerschaftswoche und dem 7. Lebenstag nach der Geburt (Psychrembel, 1994).

Postnatal bedingte Formen ,

An und für sich gibt es keinen echten Zusammenhang zwischen postnatal entstandener intellektueller Behinderung und bestimmten Verhaltens-Auffälligkeiten.

Ausnahmen hierzu bilden Formen bei denen ein hirntraumatisches Ereignis während der Entwicklungsphase stattgefunden hat oder bei denen es zu einer Vergiftung (zum Beispiel Bleivergiftung) in diesem Abschnitt gekommen ist, und Formen bei denen die Entwicklung des ZNS durch einen degenerativen Prozess gestört wurde.
Letztere Form von intellektueller Behinderung lässt sich am Rett-Syndrom aufweisen.

Das Rett-Syndrorn wurde 1966 zum ersten mal beschrieben, fand aber erst viel später in den 80er Jahren weltweit Anerkennung.  Bis jetzt wurde das RettSyndrom ausschließlich bei Personen weiblichen Geschlechts vorgefunden, was den Verdacht erhärtet daß es sich um eine X-chromosomal rezessive Störung handelt.

Es liegen Ergebnisse vor die darauf schließen lassen dass es sich beim RettSyndrom um eine Störung in den Neurotransmittersystemen von Dopamin und Adrenalin handeln könnte. Das Rett-Syndrom geht mit einer schweren lntelligenzminderung einher, wobei der IQ Werte von 35 erreichen kann.
Zu beobachten ist eine schwerwiegende Entwicklungsretardierung vor allem auf dem Gebiet der Sprache und Motorik. Ganz besonders charakteristisch für dieses Syndrom sind die Handstereotypien die man als"hand-washingmovement bezeichnet. Durch diese Stereotypie ist die Entwicklung der gezielten Greiffähigkeit fast zur Gänze gestört und nicht ausgeprägt.  Außer dieser Verhaltensauffälligkeit sind vor allem Schaukelbewegungen, Grimassieren, Hyperventilationen und Zähneknirschen zu beobachten.
Dadurch dass die Patientinnen eine Reihe von autistischen Merkmalen aufweisen werden sie oft fälschlicherweise mit Autismus diagnostiziert.

D. Dualdiagnose : Psychische Störungen und Verhaltensstörungen bei intellektueller Behinderung

Die Forschung der vergangenen Jahre die sich mit den psychopathologischen Erscheinungsbildern bei erwachsenen Menschen mit intellektueller Behinderung gewidmet hat, konnte vielfach feststellen, dass psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten deutlich vermehrt bei Menschen mit geistiger Behinderung auftreten als bei der Allgemeinbevölkerung.
Hierbei gilt zu unterscheiden, dass es sich um zwei verschiedene Erscheinungsformen handelt: die psychiatrische Störungen wie sie im ICD 10 F.5. aufgezählt sind.

Verhaltensstörungen

..Es handelt sich hierbei um Verhaltensauffälligkeiten die als bizarr, störend und herausfordernd umschrieben werden bzw. um Verhaltensweisen mit direkt schädlichen Konsequenzen wie zum Beispiel automutitatives
Verhalten.  "(Weber, 1997).
Einige dieser Verhaltensweisen finden sich im ICD 10 F.9 wieder.

Unter Verhaltensstörungen fallen verschiedene Erscheinungsbilder wie Aggression, wobei es sich sowohl um verbale als auch um körperliche Aggression gegen andere und Gegenstände handeln kann.  Hierunter fallen auch die Selbstverletzenden Tendenzen (Automutilationen).  Diese oft lebensgefährlichen Tendenzen reichen vom rhythmischen Schlagen des Kopfes gegen eine Wand, über sich ins Gesicht schlagen, sich die Augen eindrücken, bis hin zu Selbstverstümmelungen von Gliedmaßen.
Eine andere Gruppe von Verhaltensstörungen sind die sogenannten Stereotypien, ritualisierende, repetitive Verhaltensweisen, rhythmische Schauckelbewegungen .
Störungsformen wie Hyperaktivität und lmpulsivität findet man eher bei Kindern und Jugendlichen mit intellektueller Behinderung als bei Erwachsenen

In letzter Zeit hat sich der Begriff "herausforderndes Verhalten" ( challenging behavior) weitgehend durchgesetzt. Qureshi & Alborz (1992) geben folgende Definition dafür an, die vor allem im praxisbezogenem Umgang mit Betroffenen von großer Bedeutung ist: "..ein Verhalten, weiches (a) zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Person selbst oder bei Drittpersonen zu mehr als geringfügigen Verletzungen geführt hat, (b) zu einem bestimmten Zeitpunkt zu Zerstörungen in der direkten Wohn- oder Arbeitsumwelt geführt hat, (c) weiches die Person in extreme Gefahr bringt, bzw. weiches die Intervention von mehr als einer Betreuungsperson benötigt und mehr als einmal im Monat vorkommt und (d), weiches Unterbrechungen in den Aktivitäten der umgebenden Personen von mehreren Minuten hervorruft und täglich mehrmals vorkommt."

Es ist eine Tatsache, dass über die Menschen mit Dualdiagnose und ihre charakteristischen Merkmale sehr wenig gewusst wird und noch weniger weiß man über den Einfluss des Alters auf die Verhaltensauffälligkeiten und die psychischen Störungen. Man hat jedoch herausgefunden, dass bei Menschen mit intellektueller Behinderung ursprüngliche Verhaltensstörungen (solche wie sie im Kindes- und Jugendalter aufgetreten sind) im Erwachsenen alter wesentlich abgeschwächter auftreten (Rollett, 1997).  Oft kommt es auch zu einer Verlagerung der Symptomatik bei gleichbleibendem Schweregrad, wobei es sich hier gehäuft um Erscheinungsbilder handelt die man auch aus der Allgemeinbevölkerung kennt, wie zum Beispiel Angststörungen, Depressionen, Psychosen, usw.

Psychische Störungen

Wie schon erwähnt können Erwachsenen mit intellektueller Behinderung die gesamte Palette von psychiatrischen Störungen haben wie sie uns aus der Allgemeinbevölkerung schon bekannt sind. Die wichtigsten seien hier nur kurz aufgezählt.

Persönlichkeitsstörung:das sind Langzeitprobleme die Veränderungen im Laufe der Zeit unterworfen sind.  Es gibt verschiedenen Subtypen wie zum Beispiel emotional anhänglich, aufmerksamkeitserregend, aufbrausend, unbeständig- sprunghaft....

Affektive Störungen: Störungen der Grundstimmung die sich meist durch eine tiefe Traurigkeit ankündigen, häufig verbunden mit auffallenden Veränderungen der Eß- und Schlafgewohnheit und des Antriebes.  Es kann auch zu plötzlichen euphorischen Ausbrüchen kommen.

Angst: Zeichnen sich aus durch extreme Angstzustände, häufige Beschwerden über körperliche Leiden wie Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Schwindelgefühl.  Hinzu kommt oft eine extreme Nervosität die Wochen andauert. Hierunter fallen Panikstörungen und posttraumatische Stressstörung.

Psychotische Störungen:können sich in krassen Verschlechterungen des Verhaltens zeigen, verbunden mit extremer Desorientierung und Verwirrtheit, Stimmenhören, exzessive Ärgerausbrüche und geringer Kontrolle der Impulsivität.

Vermeidungsverhalten :Wird oft verwechselt mit Autismus.  Der Betroffenen ist ein Einzelgänger der seine Mitmenschen meidet aus Angst vor Kritik, Scham und dem Nicht-Akzeptiert werden.

Paranoide Persönlichkeitsstörung: Der Betroffene verhält sich anderen gegenüber als äußerst misstrauisch und fühlt sich schnell hintergangen und angegriffen. Sie neigen zu Oberreaktionen ("machen aus der Mücke einen Elefanten") ,können sehr stur sein und sind meist sehr schwierig im Umgang.

Aus den Analysen neuerer Studien von Rojahn, Borthwick-Duffy & Jacobson (1  993) geht hervor, dass Verhaltensweisen weit häufiger wahrgenommen werden als die psychischen Störungen.   Dies hat vermutlich mit der Fehldeutung zu tun, weil immer  wieder vorkommt, dass man psychische Störungen nicht als etwas Eigenes ansieht, sondern als Teil der intellektuellen Behinderung. Dieses Phänomen wird oft als sogenanntes"diagnostic overshadowing" bezeichnet. Es kann schwerwiegende Folgen für den Betroffenen haben, da oft den wahren Problemen nicht die angebrachte Relevanz zugesprochen wird oder oft einfach übersehen werden und der Patient in falsche Richtungen therapiert wird.

Nach Schroeder, Rojahn & Oldenquist (1991) ist es wichtig zu bedenken, dass psychische Störungen mit zunehmender Verschlechterung der Intelligenz immer schwerer diagnostizierbar sind und aus diesem Grund oft einfach nicht erkannt werden als solche.  Das hat viel mit der Tatsache zu tun, dass es immer noch keine adäquaten diagnostischen Verfahren ür Menschen mit intellektueller Behinderung gibt. So haben bereits Ovner & Hurley 1983 darauf hingewiesen, dass es fraglich ist in wieweit die gängigen Kriterien und Richtlinien für die Erfassung und Bestimmung psychopathologisch er Störungen bei Menschen mit intellektueller Behinderung anwendbar sind.

Ein anderes Problem das damit verbunden ist, ist dass man bei der Exploration eines Menschen mit intellektueller Behinderung zu einem Großteil an Aussagen von dritten gebunden ist, da der Betroffenen selbst oft nicht über ausreichende Sprachentwicklung und Ausdrucksfähigkeit verfügt.
Neben der Miteinbeziehung von Drittpersonen bleibt der Diagnostik nur noch die Verhaltensbeobachtung der Betroffenen Person. Auch hier stößt man schnell an seine Grenzen. So kann zum Beispiel aggressives verhalten als erhöhte Erregbarkeit gedeutet werden, es kann sich aber auch als Ausdruck von Depression entpuppen, als Ursache einer schlechten pharmakologischen Versorgung oder als hirnorganische Beeinträchtigung handeln.

E. Verhaltensstörungen und psychische Störungen im Alter und ihre Einwirkungen auf die soziale Integration

.. Das Interesse an der psychischen Gesundheit älterer Menschen mit geistiger Behinderung hat in den letzten Jahren in den Forscherkreisen merkbar zugenommen. ( ... )Außerdem stieg die Lebenserwartung geistig behinderter signifikant an. ln logischer Konsequenz gibt es vermehrt ältere Menschen mit psychischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten' ( Dosen, A. 1997).

Der intellektuell behinderte Mensch hat auch in fortgeschrittenem Alter ein Recht in seinem Person sein, in seiner Würde in seinen Befindlichkeiten und Bedürfnissen , in seiner Autonomie als aktives und kompetentes Wesen Ernst genommen zu werden und nach einem sinnerfüllten Leben zu streben. Es ist in modernen Auslegungen nicht mehr angebracht den alternden psychisch kranken nur noch als belastenden psychiatrisch-geriatrischen fall anzusehen. Vielmehr wird heutzutage auf die Wechselwirkungen und Zusammenhängen von schweren genetisch-organisch bedingten Entwicklungsstörungen und der Umwelt in dem der betroffene lebt eingegangen. Man geht von einem gestörten Individuum-Umwelt- Interaktionsverhältnis aus um die aufkommenden Verhaltensauffälligkeiten zu erklären.

Das Individuum mit seinen speziellen Bedürfnissen in seiner Lebenswelt sollen im Mittelpunkt stehen und die zwei rechte, das recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung, auf Selbstbestimmung und das recht auf zusammenleben in der Gesellschaft, sollten handlungsbestimmend sein.
Es soll klar werden dass die Grundbedürfnisse von älteren Menschen mit geistiger Behinderung sich nicht von den Bedürfnissen Nichtbehinderter alter Menschen unterscheiden." ...nicht isoliert zu werden, in vertrauter Umgebung unter Beibehaltung erwachsener sozialer Beziehungen zu leben, Hilfen bei der Tagesstrukturierung und der Gestaltung der Freizeit zu erfahren, im Krankheits-oder Pflegefall von anvertrauten Mitmenschen betreut zu werden, gegebenenfalls bis zum Sterbebeistand, eine ausreichende wirtschaftliche Grundlage im Alter zu haben" (BLfgB, 1994).

Es gibt auch im Alter Lebensereignisse die schwer zu verarbeiten sind, sowohl für nichtbehinderte als auch für Geistig behinderte.  So löst der Eintritt in den Ruhestand oft eine große leere aus.  Die Leute fühlen sich Nutzlos und nicht mehr als Teil der Gesellschaft.  Geistig Behinderte trifft das noch härter, da sie Veränderungen im Alter schwerer verarbeiten und außerdem über wenig Möglichkeiten verfügen sich aktiv auf den Ruhestand vorzubereiten um ihm Gestaltung zu geben.

Ein anderes lifeevent mit dem immer mehr ältere Menschen mit intellektueller Behinderung konfrontiert sind ist der Tod von Angehörigen.  Durch eine Verbesserung der medizinischen Versorgung werden die geistig Behinderten heutzutage viel älter und sehr viel von ihnen überleben ihre Eltern.  Es ist deshalb sehr wichtig, dass sie vorhandene Kontakte zu Freunden und anderen Familienmitgliedern pflegen und ausbauen zu lernen. Gerade zur Bewältigung der eigenen Lebensgeschichte und auch zur Bewältigung von Todesfällen ist es hilfreich wenn Familienmitglieder ihren intellektuell behinderten Familienmitgliedern die eigene Biographie und auch ihren eigenen Tod nahe bringen und ihnen helfen sich damit auseinander zu setzten und mit der Trauer und Angst fertig zu werden.

Überhaupt wird der Einfluss der Umwelt oft nicht in dem Ausmaße realisiert der ihm wirklich zusteht.  Das Verhaften einer einzelnen Person in einer bestimmten Umgebung ist direkt abhängig von der Gestaltung dieser Umgebung und daher kann die Umwelt nicht getrennt vom Verhalten studiert werden a( Davidson, P. W., 1997).

Ein wichtiger Aspekt im Leben des älteren geistig behinderten Menschen scheint der Druck der Umwelt zu sein. In der Tat wirken verschiedene Umgebungen auch jeweils verschieden auf ältere Menschen und stellen andere Anforderungen an ihn. Menschen mit höherem Kompetenzgrad zeigen ein Verhalten, das eine bessere Anpassung darstellt, als Menschen mit niedrigerem Kompetenzgrad, wobei aber die Abhängigkeit von dieser Umgebung mit der Einschränkung der Funktion des älteren Menschen einher geht.

Verliert eine Person mit geistiger Behinderung die Fähigkeit, eine bestimmte, für sie eigentlich einfache, Aufgabe zu erledigen, können dadurch stereotype Verhaltensweisen, Aggressionen oder andere unangepasste Handlungen hervorgerufen werden. Dies wird um so akzentuierter, wenn die betreffende Person bereits Schwierigkeiten hat, mit einer veränderten Umgebung umzugehen. Hierbei sei etwa angeraten, unnötige Stimulationsquellen, wie etwa übermäßiger Straßenlärm, Hintergrundgeräusche von Fernseher oder Radio und ähnliches, weitgehendst zu reduzieren.

Andererseits kann zu wenig Stimulation wiederum zu intellektuell und emotional auffälligen Verhalten führen. Es muss eine Art Mittelmaß an sogenannt redundanten Erfahrungsmöglichkeiten gefunden werden, die, miteinander in Verbindung gebracht, dem älteren Menschen einen Fortschritt im Anpassungsverhalten ermöglichen.
 

G. Literaturverzeichnis

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